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w.Sztaba David Hockney im theatrum picturae

 

Ja, die Natur und der Maler David Hockney, sie brauchen einander. Er vermag es, sie zu immer neuen Szenen des Theaters der Natur zu inszenieren, sie liefert ihm wiederum die besten Anlässe, das ganze Repertoire des Theaters der Malerei vorzuführen. Gemeinsam schaffen die beiden eines der schönsten Spektakel in der neuen Kunst.

Vor ein paar Jahren hat diese Zusammenarbeit der Natur mit dem heute 72jährigen Künstler begonnen. Nicht zufällig ist der Weg – ein Feldweg, ein Waldweg, eine Kreuzung – ein ständig wiederkehrendes Motiv in seinen Landschaften, oft ganz im Zentrum, als Fluchtpunkt gesetzt, das viel über das Gehen, Wandern und Ankommen im Leben und in der Kunst aussagt: Der Künstler ist am Wesentlichen angelangt – und wir, sein Publikum, sind dabei. Man steht vor diesen wie eine Wandmalerei großen Bildern, die einen in ihre Räume einschließen, man hält kurz inne, macht eine Pause, bevor man weiter ins Bild eintaucht, wie der chinesische Maler, der in seiner letzten Landschaft verschwand – und man denkt dabei, dass das eigentlich das sein könnte, womit man die Zeit verbringen soll.

Man zelebriert, was man liebt. Die Fotografie, die ihm vorher oft als Hilfsmittel der Malerei diente, braucht er jetzt für sein Theater, um das Mal-Ritual festzuhalten und hervorzuheben. In der Fotografie inszeniert Hockney sich selbst und die Malerei, erst sie ermöglicht dem Publikum, an dem Hockneyschen theatrum picturae teilzunehmen.

Wie ein Handwerker erfüllt Hockney seine Tagesarbeit im Pleinair und wiederholt anteilnehmend die Gesten seiner großen Vorgänger, Monet, Cézanne, van Gogh oder Pissarro, die mit einer tragbaren Malerwerkstatt beladen zur Motivsuche aufbrachen. Zwar nicht zu Fuß, sondern im Auto findet er den Ort, nähert sich dem Motiv in immer größeren Skizzen, dann fängt er gleich an, an dem Bild in Öl zu arbeiten, das, wegen seiner Größe, aus mehreren Bild-Segmenten besteht, geschickt hantiert er mit den Leinwänden, stellt sie mal übereinander, mal nebeneinander auf drei Staffeleien auf, mit einem Tisch im Rücken, der ihm als Palette dient, eine Reproduktion des vorherigen Bildes als Referenz auf dem Boden, falls ein Motiv in mehreren Varianten wiederholt wird – eine wahre Mal-Performance, eine Mal-Choreografie! Beim Malen gibt es hier keine Tricks, für jede Form in der Natur wird eine Form in Farbe immer neu erfunden, eine Verkürzung gesucht: so werden Blätter gemalt, so ein Baumstamm; manchmal befreit sich der Pinsel von dieser Aufgabe, aus einem Ast wird eine unterbrochene Linie, ein Farbklecks schwebt, fliegt durch das Bild wie ein Papier im Wind.

In der Kunsthalle, vor dem Publikum, wird dieses zweifache Theater weitere Aufführungen haben. Der Maler-Schauspieler versteckt sich jetzt hinter den Kulissen des theatrum naturae, das sich mit jedem Aufzug verändert. Der Wald spielt die Rolle des Waldes im Winter, Frühling, Sommer und Herbst, mal beim starken Sonnenlicht, mal bei bedecktem Himmel; die Farben spielen sich selbst, treten aber auch als Bäume, Erde und Licht auf.
Die mehrteilige Struktur der Bilder erinnert an die Zeit vor dem Auftritt in der Kunsthalle, als die Landschaften noch im Entstehen waren, noch in einzelnen Teilen, nicht ganz fertig, sich vor dem Vorbild der Natur aneinander anpassend und einspielend. In vielen dieser Gesamtbilder haben die einzelnen Teile noch einen eigenen Rahmen, dann sieht das ganze Gemälde wie ein großes Fenster aus. Was sieht man denn durch dieses Fenster? Jedenfalls – nicht die Welt der Realisten und auch nicht die Welt der reinen Malerei. Wir schauen auf die Bühne der Kunst und sehen den Maler David Hockney und sein Modell – die Natur. Glücklich ist, wer als Zuschauer seinen Teil an dieser Inszenierung finden kann.

14.06.09

Davin Hockney, Nur Natur. Kunsthalle Würth, Schwäbisch Hall
27. April bis 27. September 2009.
Bilder: www.kunst.wuerth.com


Aktuelle Ausstellung:
"A Bigger Picture", 27. Oktober bis 3. Februar 2013, Museum Ludwig, Köln

theatrum picturae


Fot. K. Damar, Wildberg/Reuthin, 19.6.2009

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